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  • Dorothee Achenbach

Zwei Visionäre in Düsseldorfer Museen

Die 50er und 60er Jahre waren Zeiten des Aufbruchs – vor allem in der Kunst. Nach den allumfassenden Verheerungen des zweiten Weltkriegs waren es die Künstler, die neue Ausdrucksmittel, abweichende Themen und andere Wege suchten für einen Neubeginn in Kultur und Gesellschaft.


Dorothee Achenbach

Nun sind zwei große Düsseldorfer Ausstellungen zwei der wichtigsten, in ihrer künstlerischen Sprache ganz unterschiedlichen Vertretern dieser neuen Epoche gewidmet: Joseph Beuys und Heinz Mack, beide zeitlebens eng mit der Stadt verbunden. Beuys, der in Oberkassel lebte, wäre am 21. Mai 100 Jahre alt geworden, Mack feierte soeben seinen 90. Geburtstag. Der Kunstpalast am Ehrenhof ehrt ihn mit einer Schau, die den Schwerpunkt auf sein Frühwerk von den 50er bis 70er Jahren legt. Es ist ein Genuss, zwischen den 100 zeitlich chronologisch geordneten Werken von seiner Ausbildung an der hiesigen Akademie bis hin zum berühmten Zero-Meister zu flanieren: Bilder, Skulpturen, lichtkinetische Installationen, Fotografien, Bühnenbilder, Architektur-Entwürfe. Beim Betrachten der archaisch anmutenden Stelen, der tanzenden Spiegelobjekte, leuchtenden Acrylglas-Kästen und Veranschaulichungen der einzigartigen, gigantischen Land-Art-Projekte in der nordafrikanischen Sahara-Wüste und der klaren Eislandschaft der Arktis, taucht man in neue Sphären aus Licht, Luft und Bewegung ein. Mit dem Nachleuchten der in satten Regenbogenfarben getauchten Leinwände am Ende der Schau auf der Netzhaut verlässt man beschwingten Schrittes die Macksche Welt.


In der Kunstsammlung NRW läuft unter dem berühmten Zitat »Jeder Mensch ist ein Künstler« eine der insgesamt zwölf Ausstellungen in NRW, die Joseph Beuys gewidmet sind. Der Mann, dessen Markenzeichen Hut und Anglerweste waren, polarisierte wie kein anderer Künstler. Zu schwer verständlich, zu andersartig war das, was der Zeichner, Bildhauer, Philosoph, Aktionskünstler und politische Aktivist schuf. Dennoch – oder gerade darum – wurde er einer der einflussreichsten und berühmtesten deutschen Künstler des letzten Jahrhunderts, seine Theorie des erweiterten Kunstbegriffes ging in die Kunstgeschichte ein. Ein Dutzend seiner Happenings und Aktionen werden auf Leinwänden und Bildschirmen gezeigt. Erläuternde Bildtafeln und Fotos ergänzen die Aufnahmen, während aus vielen Lautsprechern seine Stimme nebst anderen Geräuschen dringt. Zu sehen ist auch die legendäre Aktion »I like America and America likes me«, bei der er sich 1974 umhüllt von einer dicken Filzdecke und mit Hirtenstab zwei Tage lang in einer New Yorker Galerie mit einem Kojoten einsperren ließ.


Welche Relevanz Beuys und seine Denkanstöße für die heutige Zeit haben, wird von 34 Künstlern, Theoretikern und Aktivisten reflektiert, die sich indirekt auf ihn beziehen oder untereinander in Dialog treten. Darunter sind der Schriftsteller Michel Houellebecq und die junge Umweltaktivistin Greta Thunberg. Schon 1982 pflanzte Beuys auf der documenta7 in Kassel 7.000 Eichen unter dem Motto: »Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung«. Umwelt und Politik – das waren schon vor fast 40 Jahren Themen des Visionärs, der an die schöpferische Kraft eines jeden Individuums und die Heilung der Gesellschaft durch Kunst glaubte.



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